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Kölner Klinik-Chef befürchtet Triage – Versorgung auch lebensgefährlich erkrankter Covid-Patienten schon jetzt nicht mehr gewährleistet

Der Kölner Internist Michael Hallek, Chef der Klinik I für Innere Medizin der Universitätsklinik Köln, befürchtet einen baldigen Kollaps der Intensivmedizin. Von einer „harten Triage“, bei der nur noch ausgewählte Patienten behandelt werden könnten, sei man an der Kölner Uniklinik nicht mehr weit entfernt, sagte Hallek dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wenn die Zahlen zu schnell steigen, lässt es sich womöglich nicht mehr vermeiden. In den nächsten Wochen könnte es passieren. Das System ist am Anschlag.“

Bereits jetzt sei eine „weiche Triage“ gang und gäbe, erklärte der Experte. „Wir müssen Operationen schieben und die Patienten entsprechend auswählen. Dass das negative Folgen haben kann, liegt auf der Hand.“ Zudem müsse die Uniklinik vermehrt die Behandlung von Komplikationen ablehnen, die bei OPs in anderen Krankenhäusern aufträten. „Wir haben inzwischen allein auf unserer Intensivstation sicher zehn bis 20 Anfragen täglich, die wir ablehnen müssen. Was aus diesen Patienten wird, finden Sie in keiner Statistik.“ Auch für Covid-Patienten in Lebensgefahr gelte, dass ihnen längst nicht mehr in allen Fällen geholfen werden könne. „Das hatten wir noch nie“, betonte Hallek.

Inzwischen habe die Uniklinik mehrere Stationen für die Behandlung von Covid-19-Patienten umgewidmet. Die Herzchirurgie etwa habe deshalb ihr OP-Programm halbiert.¹

Intensivmediziner Janssens: Es ist fünf nach zwölf, Politik muss sofort handeln – Ausgangssperren helfen, Infektionszahlen zu senken

Der bis Ende 2020 amtierende Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Uwe Janssens, hat einen eindringlichen Appell an die Politik gerichtet, sehr zeitnah mit Maßnahmen zu Kontaktbeschränkungen dafür zu sorgen, dass Menschen geschützt werden. Schließlich gebe es überfüllte Intensivstationen und eine Zunahme von Sterbefällen. „Das sollte den Politikern sagen: Wir haben fünf nach zwölf, ihr müsst jetzt handeln, es muss jetzt eine Strategie verfolgt werden, die bundesweit einheitlich gilt. Bislang laufen wir den Dingen hinterher“, so Janssens im Fernsehsender phoenix (Mittwoch, 14. April). Wären die bereits vor Wochen von der Politik beschlossenen Maßnahmen flächendeckend umgesetzt worden, hätte man die aktuelle Pandemie-Entwicklung abschwächen können. „Die aktuellen Diskussionen zeigen, dass die deutschen Politiker noch nicht verstanden haben, was ihre Aufgabe ist, nämlich die Bürger zu schützen“, so Janssens weiter.

Notwendig sei ein durchgehender, harter Lockdown, um die Infektionszahlen zu verringern. Portugal und Irland hätten gezeigt, dass dies möglich sei. Dazu gehörten auch weitere Beschränkungen der Bürger. Wissenschaftliche Studien zeigten, „dass die von vielen kritisierten Ausgangssperren einen Effekt auf den sogenannten R-Wert haben und ihn um etwa zwölf Prozent senken können“, meinte Janssens. Notwendig sei es, der Bevölkerung klar zu machen, dass alle aufgerufen seien, bei der Bekämpfung der Pandemie mitzumachen. „Diesen positiven Appell vermisse ich bei der Politik. Die Mitarbeit der Bevölkerung ist essentiell.“

Der Intensivmediziner sah im Gegensatz zu Berufskollegen jedoch keinen Hinweis dafür, dass die Lage auf den deutschen Intensivstationen zeitnah außer Kontrolle gerate und eine Triage notwendig würde. „Da sind wir durch ein hervorragendes Gesundheitssystem in der Lage, das abzuwenden. Wir werden es aushalten, aber da wird viel Schweiß bei fließen“, meinte Janssens.²

¹Kölner Stadt-Anzeiger ²phoenix-Kommunikation

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